Der ›Verein für die Schwarze Kunst Dresden e.V.‹ engagiert sich seit 2013 ideell und materiell für den Erhalt und die Förderung der Kulturtechniken des Schriftgusses und Buchdrucks. Bundesweit bekannt ist er dabei vor allem durch seine praktische Unterstützung bei der Vermittlung von Wissen und handwerklichen Fertigkeiten, vor allem durch die 2018 initiierte und mittlerweile sehr erfolgreiche ›Walz‹. Unter dem Motto ›Wir geben Wissen weiter‹ werden junge Menschen, ausgestattet mit 1000 € Reisegeld, mit aktiven Fachleuten vernetzt, um in Werkstätten und Museen die traditionellen Handwerkstechniken des Bleisatzes und Buchdrucks zu erlernen. Mehr als zwanzig Werkstätten in Deutschland, in Österreich und der Schweiz, sowie bald auch in weiteren Ländern, geben inzwischen ihr Wissen weiter. Mehr als zwei Dutzend Walzerinnen und Walzer waren mittlerweile wandernd unterwegs; jedes Jahr kommen, wie auch in diesem Jahr, weitere fünf hinzu.
Außerdem engagiert sich der Verein in verschiedenen Projekten mit Kooperationspartnern, wie Museen, Hochschulen, Bibliotheken und wissenschaftlichen Instituten, um eine verstärke öffentliche Diskussion zur kulturgeschichtlichen Bedeutung des Buchdrucks im Allgemeinen und zum Thema immaterielles Kulturerbe im Besonderen. In diesen Zusammenhang gehört auch der in diesem Jahr ins Leben gerufene und mit 500 € dotierte ›Schwarze Kunst Preis‹. Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des Vereins in der ›Spielkartenfabrik Stralsund‹, übrigens auch eine Walzwerkstätte, wurde er erstmals verliehen. Prof. Dr. Anne König stellte in Vertretung der Jury die drei Preisträger vor.
Den dotierten Preis erhielt der Plakatkünstler Dafi Kühne aus Näfels in der Schweiz. Seine Masterarbeit mit dem Titel ›Alternatives to wood type in the 20th century‹ (University of Reading – Department of Typography and Graphic Communication) überzeugte die Jury durch die Recherchetiefe und Interdisziplinarität. Als Referenz setzt er den Herstellungsprozess von mit dem Pantografen gefrästen Plakatschriften aus Vollholz. Er beschreibt die Technik, die Maschinen und Materialien, aber auch die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen. So war anfangs der Markt geteilt: Die klassischen Schriftgießereien beschäftigten sich nicht mit dem Fräsen von Holz, und die Holzletternhersteller beschäftigten sich nicht mit dem Gießen aus Blei. Erst mit der Erfindung des Kunststoffs Trolon, einer Bakelit-Variante, begannen auch etablierte Schriftgießereien wie VEB Typoart und die Haas’sche Schriftgiesserei AG, Schriftgrade über 72 Punkt zu fräsen. Vorangegangene Versuche des Gießens brach man ab, da die Schrumpfung des Materials keine qualitätsgesicherte Produktion zuließ. Die Berthold AG vermarktete ihre Lettern intensiv unter dem Eigennamen ›Plakadur‹, ein Akronym aus Plakat und Durable (Haltbarkeit). Man erfährt zahlreiche Details, wie z. B., dass Trolon in jeder Farbe eingefärbt werden kann und die Berthold AG wohl nur aus Marketinggründen die an Holz erinnernde braune Farbe gewählt hat. Wie anders sähen unsere heutigen Werkstätten aus, hätte man knallrosa oder azurblau gewählt. Dafi Kühne dokumentiert und illustriert auch farbige Objekte sowie weitere Materialalternativen, wie Furnierholz, erhitzte Zellulose, Aluminium und andere Kunststoffversuche. Seine Methode ist das Studium von Objekten und Prospekten, ergänzt durch zahlreiche Expertengespräche. Und es gelingt ihm überzeugend, technische Innovationen mit dem Wettbewerbsumfeld im beginnenden Umbruch zum Fotosatz in Beziehung zu setzen.
Die zweite Auszeichnung erhielt Alicia Thea Lingnau aus Berlin, welche diese persönlich in Stralsund entgegennehmen konnte (vgl. Foto). Ihre Bachelorarbeit ›Der frühe Koreanische Typendruck und seine Rezeption in deutschen Technikmuseen‹ (Berliner Hochschule für Technik, Studiengang Druck- und Medientechnik) beschreibt wie Dafi Kühne nicht nur die Technik, das Sandguss- und Wachsausschmelzverfahren, sondern auch die Rahmenbedingungen der Innovation. Das früheste erhaltene Druckprodukt aus beweglichen Metalltypen, das Jikji, entstand 1377, also über 70 Jahre vor der Erfindung der Gießtechnik durch Johannes Gutenberg. Doch alles, was in Korea im Bereich Satz, Druck und Papier geschah, passierte ausschließlich unter staatlicher Vorgabe und Aufsicht. Da zudem der traditionelle Holzblockdruck für hohe Auflagen wesentlich konkurrenzfähiger war als der im Druck instabile Typendruck, verbreitete sich das Verfahren kaum. Alicia Lingnau analysiert in ihrer Arbeit, wie die deutschen Museen die Vorläufer der Erfindung des Buchdrucks rezipieren. Sie recherchiert 17 Technikmuseen mit druckgrafischen Abteilungen, darunter zehn nicht-staatliche Museen, die sie mit Bezug auf Dr. Angela Janelli, Kuratorin am Historischen Museum Frankfurt, als ›wilde Museen‹ kategorisiert. Ihre Methode ist neben dem kritischen Literaturstudium, in dem auch die umstrittene Diskussion des Herstellverfahrens des Jikjis aufgegriffen wird, das Expertengespräch mit Sammlungsleitern und Sammlungsleiterinnen. Die Ergebnisse sind in einer übersichtlichen Tabelle entlang der Aufgaben von Museen dokumentiert und zeigen, dass von den sieben untersuchten staatlichen Museen alle die Technik wahrgenommen und vermutlich auch in den Bibliotheken aufgenommen haben. Fünf Museen forschen im Themengebiet, und drei hatten bereits Sonderausstellungen, verständlicherweise in direktem Vergleich mit der Erfindung Gutenbergs. Drei Museen haben das Thema in die Dauerausstellung integriert. Bei den ›wilden Museen‹, meist Heimatmuseen, ist das Thema verständlicherweise nicht präsent, mit Ausnahme der Offizin Peter Schöffer im hessischen Gernsheim. Die Jury ehrt die Recherchetiefe und die interessante interdisziplinäre Fragestellung.
Die dritte Auszeichnung ging an Dina Neves, ebenfalls aus Berlin, mit ihrer Masterarbeit ›Faszination Letterpress. Eine Analyse aus Kunden- und Herstellerperspektive‹ (Berliner Hochschule für Technik, Studiengang Druck- und Medientechnik). Die Arbeit beschäftigt sich mit den historischen Techniken, bezieht sich aber durchgängig auf die Gegenwart. Dina Neves analysiert in der betriebswirtschaftlich angelegten Arbeit, welche Akteure heute mit welchen Motiven im Handsatz und Buchdruck aktiv sind, und wer die Produkte oder Dienstleistungen abnimmt. Die Herstellerperspektive wird durch Interviews mit kommerziell tätigen Werkstätten analysiert und systematisiert. Die Kundenperspektive wird durch einen Verkaufstest von Postkarten in der Altstadt von Berlin-Spandau empirisch erforscht. Ergänzt wird die Arbeit durch Kalkulationen am Beispiel von handgesetzten und im Buchdruck produzierten Postkarten. Die Jury ehrt auch hier die Recherchetiefe und das innovative Forschungsdesign.
Auch für 2023 freut sich der Verein und seine Jury auf Einreichungen von wissenschaftlichen Arbeiten. Bewerbungsende ist der 30. Mai 2023. Weitere Informationen www.verein-fuer-die-schwarze-Kunst.de.