von Ingo Preuß.
Für Heinz Schumann standen Schrift und Schreiben im Zentrum seines Lebens. Wie mir seine Tochter mitteilte, ist Heinz Schumann am 3. Dezember 2020 im Alter von 86 Jahren in seiner Heimatstadt Chemnitz gestorben.
Eines Tages klingelte mein Telefon und eine männliche Stimme mit starkem Chemnitzer Dialekt meldete sich: »Hier ist Heinz Schumann aus Chemnitz …«
Dieser Anfangsgruß begleitete mich fortan über Jahre und über viele Telefonate hinweg. Unsere Gespräche kreisten sehr intensiv um das Thema Schrift; um die Typoart; um Schriftproduktion in der DDR. Es war ihm wichtig, immer wieder diese Themen zu umreißen; mir sein reichhaltiges Wissen zu diesen Aspekten mitzuteilen.
Heinz Schumann machte von 1948 bis 1951 eine Lehre als grafischer Zeichner und studierte ab 1952 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Während der ersten drei Jahre Grundstudium habe man dort nur gemalt und gezeichnet. Erst in der Fachklasse habe er seine Liebe zur Schrift entdeckt und das Fachstudium bei Albert Kapr aufgenommen. Kapr habe keine Theorien verkündet, sondern habe seine Schüler vor allem »machen lassen«. Schreibübungen. Immer wieder Schreibübungen. Diese Vorgehensweise hat sich Schumann bis ins hohe Alter erhalten, wovon seine vielen kalligraphischen Werke zeugen.
Nach fünf Jahren Studium, zwei Jahre Tätigkeit für das Fernsehen (wo er die Titeleien für den Vorspann/Abspann schreiben musste) musste er sich letztlich entscheiden, ob er bei Kapr an der Hochschule bleiben wollte, oder in die Praxis zu gehen. Er entschied sich für letzteres, worüber Kapr nicht sehr erfreut war.
Danach war er bis 1959 als Grafiker bei DEFA-Synchron Berlin-Johannisthal tätig. Gleichzeitig war er Gastdozent für Schrift an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin-Schöneweide. Es folgte in den Jahren 1959 bis 1962 eine Aspirantur mit Lehrauftrag an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig mit Spezialausbildung zur Herstellung typografischer Schriften bei Albert Kapr. Ab 1966 war Schumann freischaffender Grafiker – ein Novum in der DDR.
Schumann war nicht im innersten Kern der Schriftgestalter der ehemaligen Typoart und sein Schriftschaffen für diesen Lebensabschnitt ist überschaubar. Schumann entwarf dennoch 1964 für den VEB Typoart die Schrift »Stentor«, eine dekorative Headline-Schrift mit etwas rauem Pinselcharakter.
Diese Schrift war einer der Punkte unseres offenen Austauschs; auch sein Wunsch der Digitalisierung seiner beiden letzten analogen Entwürfe (Heide und Gloria) und eine Neuauflage seiner Stentor lagen ihm am Herzen. Die kreativ starken Beschränkungen der Stentor durch die damaligen technischen Vorgaben bekümmerten ihn letztlich, da sein Interesse stets von der Kalligraphie geprägt war.
Neben diesen geschriebenen Buchstaben wird mir Heinz Schumann im Gedächtnis bleiben durch seine (Mit-)Wirkung an verschiedenen Dingen im städtischen öffentlichen Raum (Projekte visueller Kommunikation). So war er der Gestalter der dreisprachigen Schrifttafeln hinter dem gigantischen Karl-Marx-Monument (von Lew Kerbel) in Chemnitz (zusammen mit Volker Beier). In zwei Jahren Entwicklungszeit habe er etwa 200 Entwürfe geliefert. Immer wieder habe er dazu neue Ideen gehabt. Die Erzählungen darüber nahmen etliche Stunden unserer Gespräche ein und ließen für Schumann die Zeit wieder auferstehen.
So werde ich ihn im Gedächtnis behalten: Als einen Interessierten, der gerne und informativ berichtete. Bescheiden und humorvoll. Als großen Kalligraphen und anerkannten Künstler. Lebendig und geduldig.